GOETHE UND DIE SCHWEIZ

Goethes Beziehungen zur Schweiz waren vielfältig. Wir bieten hier Dokumente zu folgenden Themen:

Schweizer Gedichte Goethes
Goethes Schweizer Reisen
Mit Goethe zum Gotthard
Das Grabmal von Hindelbank 
Literaturhinweise

 

Schweizer Gedichte Goethes
 
Aus dem Tagebuch der ersten Schweizer Reise:

Ursprüngliche Fassung

15. Junius 1775, aufm Zürichersee.

Ich saug' an meiner Nabelschnur 
Nun Nahrung aus der Welt. 
Und herrlich rings ist die Natur, 
Die mich am Busen hält. 
Die Welle wieget unsern Kahn 
Im Rudertakt hinauf, 
Und Berge wolkenangetan 
Entgegnen unserm Lauf.
 
Aug' mein Aug', was sinkst du nieder? 
Goldne Träume, kommt ihr wieder? 
Weg, du Traum, so gold du bist, 
Hier auch Lieb und Leben ist.
 
Auf der Welle blinken 
Tausend schwebende Sterne, 
Liebe Nebel trinken 
Rings die türmende Ferne, 
Morgenwind umflügelt 
Die beschattete Bucht, 
Und im See bespiegelt 
Sich die reifende Frucht.
Spätere Fassung

Auf dem See

Und frische Nahrung, neues Blut 
Saug' ich aus freier Welt; 
Wie ist Natur so hold und gut, 
Die mich am Busen hält! 
Die Welle wieget unsern Kahn 
Im Rudertakt hinauf, 
Und Berge, wolkig himmelan, 
Begegnen unserm Lauf.

etc.


Diese Zeile findet sich in Goethes Handschrift auf unserem Titel-Bild.


Gesang der Geister über den Wassern


 Des Menschen Seele
 Gleicht dem Wasser:
 Vom Himmel kommt es,
 Zum Himmel steigt es,
 Und wieder nieder
 Zur Erde muß es,
 Ewig wechselnd.

 Strömt von der hohen,
 Steilen Felswand
 Der reine Strahl,
 Dann stäubt er lieblich
 In Wolkenwellen
 Zum glatten Fels,
 Und leicht empfangen
 Wallt er verschleiernd,
 Leisrauschend
 Zur Tiefe nieder.

 Ragen Klippen
 Dem Sturz entgegen,
 Schäumt er unmutig
 Stufenweise
 Zum Abgrund.

 Im flachen Bette
 Schleicht er das Wiesental hin,
 Und in dem glatten See
 Weiden ihr Antlitz
 Alle Gestirne.

 Wind ist der Welle
 Lieblicher Buhler;
 Wind mischt vom Grund aus
 Schäumende Wogen.

 Seele des Menschen,
 Wie gleichst du dem Wasser!
 Schicksal des Menschen,
 Wie gleichst du dem Wind!

Staubbach






Die Inspiration zu diesem Gedicht empfing Goethe
1779 durch den Staubbach bei Lauterbrunnen.
 

 
Schweizeralpe

        War doch gestern dein Haupt noch so braun wie die Locke der Lieben,
        Deren holdes Gebild still aus der Ferne mir winkt;
        Silbergrau bezeichnet dir früh der Schnee nun die Gipfel,
        Der sich in stürmender Nacht dir um den Scheitel ergoß.
        Jugend, ach! ist dem Alter so nah, durchs Leben verbunden,
        Wie ein beweglicher Traum Gestern und Heute verband.
 
Entstanden im Herbst 1797 in Altdorf, Kt. Uri, auf der dritten Schweizer Reise Goethes

 
Schweizerlied 

Uf'm Bergli
Bin i gsässe,
Ha de Vögle
Zugeschaut;
Hänt gesunge,
Hänt gesprunge,
Hänt's Nästli
Gebaut.

In ä Garte
Bin i gstande,
Ha de Imbli
Zugeschaut;
Hänt gebrummet,
Hänt gesummet,
Hänt Zelli
Gebaut.
Uf d'Wiese
Bin i gange,
Lugt'i Summer-
Vögle a;
Hänt gesoge,
Hänt gepfloge,
Gar z'schön hänt's
Getan.

Und da kummt nu
Der Hansel,
Und da zeig i
Em froh,
Wie sie's mache,
Und mer lache
Und mache's
Au so.
Dieses Lied sandte Goethe am 28. Februar 1811 an Zelter. Es entstand vermutlich nach einer schwäbischen
Gedichtstrophe aus "Des Knaben Wunderhorn". Dies ist jedenfalls kein Schweizerdeutsch (hier irrte Goethe!)